Sonntag, 26. Juni 2016

Javni Iftar

In meinen vorausgegangen Blogeinträgen hatte ich bereits ein paar mal erwähnt, dass Tuzla zu einem großen Teil muslimisch ist. So kam zu meiner allgemeinen Auslandserfahrung noch die Auseinandersetzung mit dem muslimischen Glauben dazu. Das Bild, das ich von Muslimen durch die deutsche Presse vermittelt bekommen hatte, war nicht unbedingt ein negatives, doch ich kann es auch nicht gerade als positiv bezeichnen. Erst hier vor Ort ist mir aufgefallen, dass sich ohne meine Zustimmung ein Stereotyp des Islams in meinen Kopf geschlichen hatte. Etwas, was ich eigentlich immer vermeiden wollte.
Genau wie es im christlichen Glauben Leute gibt, die vielleicht nur zu Weihnachten und Ostern in der Kirche auftauchen und, die ich deswegen gerne als "U-Bootchristen" bezeichne, gibt es solche Leute auch im muslimischen Glauben. Nicht jeder lebt seinen Glauben auf die gleiche Art. Es gibt verschiedene "Abstufungen".
Normalerweise sollte diese Tatsache nichts sein, was einen überrascht, doch ich muss (leicht beschämt) zugeben, dass genau das für mich der Fall war. Die Medien und meine mangelnde Erfahrung hatten, ohne dass ich es wollte oder bemerkt hätte, eine Denkblockade errichtet.
Erst hier konnte ich diese Blockade durchbrechen. Die Diskussionen, ob und wie der muslimische Glaube in die deutsche Gesellschaft zu intergrieren sei, erschienen mir auf einmal nichtig, angesichts der Tatsache, dass ich in einer Stadt lebte, in der Katholiken, Muslime und Orthodoxe friedlich zusammenleben.
Für mich als eine Person, die vorher nie wirklich in Kontakt mit dem Islam gekommen ist, war das eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Nicht nur, weil ich mehr über den Glauben erfahren habe, sondern generell gelernt habe vorsichtig mit medialer Darstellung umzugehen.
All das hat schließlich dazu geführt, dass ich ein gewisses Interesse am Ramadan (oder wie man hier in Bosnien sagt: Ramazan) entwickelt habe.
Fasten um das Leiden ärmerer Menschen nachempfinden zu können und sich selbst aufzuzeigen, dass wenn man täglich auf die essentiellen Dinge wie Nahrung und Wasser verzichten kann, man auch auf die überflüßigen Dinge im Leben verzichten kann. Mir gefiel der Gedanke dahinter und so entschied ich mich auch am Fasten teilzunehmen. Ich spreche hier ganz bewusst vom "Fasten", da ich auf die normalerweise mit Ramadan einhergehenden religiösen Aspekte, wie z.B. fünfmal am Tag zu beten, verzichtet habe.
Durch die meisten meiner muslimischen Mitmenschen wurde ich sehr unterstützt. Sie fanden es toll, dass ich Interesse für ihren Glauben zeigte und waren immer gerne bereit, mir etwas zu erklären oder über ihren Glauben zu erzählen.
Viele Leute meinten auch, dass das was ich täte nicht wirklich "Ramadan" sei, da ich nicht betete und gewisse Regeln des Fastens nicht einhielt. Nichtsdestotrotz unterstützten sie meine Entscheidnung zu fasten und verstanden meine Gründe, nicht beten zu wollen.
Alles in allem war Ramadan bis jetzt eine sehr schöne Erfahrung für mich. In den letzten Tagen musste ich es leider gesundheistbedingt unterbrechen, aber für meine letzte Woche hier in Bosnien werde ich noch einmal das Fasten aufnehmen und mein "soziales Experiment" fortsetzen.

Senad, Julian und ich beim Iftar
Was hat nun meine Erfahrung während Ramadan mit "Javni Iftar" zu tun? "Iftar" bezeichnet das Mahl, das man nach Sonnenuntergang isst, wenn man das tägliche Fasten bricht und "javni" ist bosnisch und steht für "öffentlich".
Kurz gesagt; es handelte sich dabei um ein öffentliches Fastenbrechen, dass bei uns in Tuzla stattfand und zu dem Julian und ich von einem meiner Kollegen eingeladen wurden.
Es war eine tolle Erfahrung, so in die muslimische Gemeinschaft eintauchen zu können und den besonderen
Moment des Fastenbrechens nach Sonnenuntergang
mit über 1000 Menschen zu teilen.
Es gab auch verschiedene Gesangsaufführungen bevor der Muezzin sein Gebet begann


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen